Kinesiotaping – hilft das überhaupt etwas?

Ein Kinesiotape ist ein elastisches Zugband, welches man sich auf die Haut gibt. Es soll bei vielerlei Situationen helfen, so z.B. zur Erhöhung der Propriozeption, der Muskelaktivierung, Verringerung des Muskelkaters, Schmerzreduktion und zur Verbesserung des Lymph- sowie Blutflusses hilfreich sein.

Aber ist das tatsächlich so? Ich habe mich mal mit der Evidenzlage zum Kinesiotape auseinandergesetzt und siehe da -__- das Ergebnis ist… sagen wir mal eher mau.

Was steckt dahinter?

Kinesiotapes sind weit verbreitet – sowohl in der therapeutischen als auch in der zivilen Welt. Sie sollen als Unterstützer der muskulären Aktivität dienen, unsere Gelenke stabilisieren und die Wahrnehmung erhöhen. Man soll auch weniger Muskelkater haben, sowie eine Schmerzreduktion erleben. Zusätzlich soll es auch den Abbau von Schwellungen unterstützen, mit dem Argument, es führe zu einem verbesserten Blut und Lymphfluss. Selbst die Farbe „kann“ durch die gestalt-psychologische Effekte einen Einfluss auf die Heilung haben. (Basset et al. 2010. Parreira et al. 2014)

Aber ist das wirklich so? Gehen wir dem auf den Grund!

Theorien dahinter erklärt…

Durch das Auflegen des Tapes wird afferente (aufsteigende) Information zum Zentralnervensystem geleitet. Das soll darauffolgend die cortikale als auch die muskuläre Aktivität im betroffenen Areal erhöhen. Weiter soll es durch abheben der Haut sogenannte „Kanäle“ in der Subkutis (Unterhaut) bilden – was die Durchblutung erhöhen soll – das schein jedoch sehr unlogisch, der Mechanismus dafür wurde auch schon längst widerlegt. (Parreira et al. 2014. Stefano et al. 2016)

Jetzt sprechen harte Fakten

  • Weder die Farbe noch die Marke machen einen Unterschied – beides wirkt nicht über Placebos hinaus
  • Auch die „Hautabhebentheorie“ ist widerlegt worden – ob Kinesiotape oder Scheintape, die Effekte sind die gleichen – vergleichbar mit anderen Therapien ist das Kinesiotape nicht überlegen bezüglich Lymphabbau – bei höherwertigen Studien wird sogar KEIN Unterschied in der Ödemreduktion mit oder ohne gemessen. Beim Hämatomabbau hilt es z.B. gar nicht. (Parreira et al. 2014. Stefano et al. 2016)
  • Keine Wirkung bei muskuloskelletalen Erkrankungen (z.B. Tendinopathie, Sprunggelenksinstabilität). Sie Studien, welche leichte Vorteile beschreiben, sind von geringer Qualität. (Li et al. 2019. Da Luz jr. Et al. 2018. Nelson 2016)

Ganz ehrlich…

Der Objektivität halber muss man auch Studien erwähnen, die eine Wirkung gemessen haben. Jedoch sei erwähnt, es gibt teilweise keine Placebokontrollen, keine signifikanten Effekte und die Studien stammen fast ausschließlich aus einer Forschergruppe – das heisst, auf Validität und Objektivität kann man hier nicht klar zurückgreifen.

  • Schlaganfallpatient*innen erlebten eine Verbesserung der Balance, Funktion der unteren Extrimität und Gehgeschwindigkeit – Relevanz für die Klinik ist jedoch unklar (Effekte waren zwar da – jedoch so gering, dass es für den Alltag keinen Unterscheid macht. (Hu et al. 2019. Wang et al. 2019)

Und wie sieht es mit Schmerzreduktion aus?

Da gibt es tatsächlich Nährboden für positive Ergebnisse – aber auch Evident, die für keine Wirkung spricht. Jedoch soll hier auch erwähnt werden, dass die Studienlage sehr geringer Qualität ist – zusammenfassend kann man jedoch sagen, dass kurzfristige Schmerzreduktion festgestellt wurde ABER die Relevanz ist so gering, dass man es auch weglassen könnte. (Da Luz jr. Et al. 2018. Li et al. 2019. Ye et al. 2019. Celik et al. 2020)

Kleine Info nebenbei:

Bis zu den olympischen Spielen 2012 war das Kinesiotape sowie Therapiemaßnahmen wie Schröpfen bei weitem nicht so bekannt. Die Firma Kinesiotape steht beim IOC (International Olympic Comitee) jedoch auf der Sponsorenliste. 2012 wurden so viele Sportler*innen mit Tapeanlagen behandelt, wie noch nie zuvor. Das führte zu einer gewissen Auffälligkeit. Dies zeigt wieder einmal, wieviel Marketing hinter einem Produkt steckt. (npr. 2012)

Fazit:

Die Effekte von Kinesiotapes gehen höchstwahrscheinlich nicht über Placeboeffekte hinaus. Kleinere Effekte können zu einer Schmerzreduktion führen, aber können eine ganzheitliche Therapie NICHT ersetzen.

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Quellen:

Parreira. Patricia da Carmo Silva, et al. „KInesio Taping to generate skin convulsions is not better than sham taping for people with chronic non-specific low back pain:  a randomized trial.“ Journal of physiotherapy 60.2 (2014): 90-96

Bassett, K.T. & Lingman, S.A. & Ellis, Richard. (2010) The use and treatment efficacy of kinesthetic Taping for musculoskeletal conditions: A systematic review. New Zealand Journal of Physiotherapy. 38. 56-62

Cavalieri, Rocco et al. „The influence of kinesiology tape color on performance and corticomotor activity in healthy adults: a randomized crossover controlled trial.“ BMC Sports Science. Medicine and Rehabilitation 10.1 (2018): 1-8

Stefano, V., Claudio, C., Francesca, T., Andrea, M., Elisabetta, B., Giorgio, F., Francesco, S.. The effects of kinesiology taping on the color intensity of superficialities skin hematoma: A pilot study. Physical therapy in Sports (2016), dos: 10.1016/j.ptsp.2016.06.005.

Parriera, Patricia do Carmo Silva, et al., “Current evidence does not support the use of Kinesio Taping in clinical practice: a systematic review.” Journal of physiotherapy 60.1 (2014): 31-39