Einleitung

Die Chiropraktik ist eine alternativmedizinische Behandlungsmethode mit dem Ziel, Funktionsstörungen an der Wirbelsäule zu finden und mit einfachen Handgriffen bzw. Manipulationen zu beseitigen. Begründer der heutigen Chiropraktik war Daniel David Palmer (1845-1913). Um die Entstehung ranken sich mehrere Geschichten, wobei eine über physikalische und medizinische Informationen aus einer mysteriösen Geisterwelt handelt.

Erklärungsmodell

Das ursprüngliche Erklärungsmodell der Chiropraktik baut auf sogenannten Subluxationen von Wirbelkörpern (= verschobene und/oder blockierte Wirbel) auf. Diese subluxierten Wirbel würden anschließend das Nervensystem beeinträchtigen und dadurch alle möglichen Krankheiten oder Schmerzzustände auslösen. Wenn man diese verschiedenen Fehlstellungen der Wirbel mit manuellen Techniken wieder in ihre vorgesehene Positionen drückt, würde es nicht nur zu einer Linderung von Symptomen, sondern zur Heilung kommen.

Straights vs. Mixers

Heute ist die Chiropraktik eine gespaltene Disziplin. Es gibt auf der einen Seite die “Straight chiropractors”, die an der Grundidee von D.D. Palmer festhalten, dass fast alle Krankheiten von Fehlstellungen der Wirbelsäule ausgehen und diese manuell korrigiert werden müssen. Auf der anderen Seite steht die Gruppe der “Mixed chiropractors”, die zwar ebenfalls die Theorie der Subluxationen befürwortet, daneben aber auch andere Ursachen für Erkrankungen anerkennen (glücklicherweise ist diese Gruppe in der Überzahl).

Einfach einrenken?

Doch gibt es für das Fundament der Chiropraktik eigentlich Belege? Können Wirbelkörper wirklich verrutschen und müssen wieder eingerenkt werden? Nein, dafür gibt es keine Belege und es ist anatomisch auch nicht plausibel. Dies wurde bereits in den 70er Jahren bekannt, als Dr. Edmund Crelin, ein bekannter Anatom an der Yale University, die Wirbelsäulen von 6 Personen, die kurz zuvor verstorben waren, untersuchte und testete. Unabhängig von der angewandten Kraft kam es zu keiner Nervenkompression. Außerdem steht die Annahme, dass Nervenstörungen eine Hauptursache für Krankheiten sind, im Widerspruch zu etablierten anatomischen Fakten.

Fakten statt Mythen

Eine Übersichtsarbeit von 2009 stellte fest, dass es einen erheblichen Mangel an Evidenz für die chiropraktische Subluxation gibt. Eine Subluxation konnte bei keiner Untersuchung, bei keinem Röntgen oder sonstigen Bildgebungen jemals nachgewiesen werden. Es gibt außerdem keine Beweise dafür, dass eine Subluxation mit irgendeinem Krankheitsprozess verbunden ist oder suboptimale Gesundheitszustände hervorruft, die eine Intervention erfordern. Ungeachtet der Popularität bleibt das Konstrukt der Subluxation damit im Bereich unbegründeter Spekulationen und findet keine gültige klinische Anwendbarkeit. Zudem gibt es keine Evidenz dafür, dass die Störung eines Nerven aus einem Wirbelsegment eine organische Erkrankung verursachen kann.

Stabilität

Es gibt keinen einzigen Beleg für die Grundannahme der Chiropraktik. Die meisten Luxationen treten in anderen Bereichen als der Wirbelsäule auf (z. B. Schulter) und sind die Folge einer Verletzung. Eine Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) ist normalerweise angeboren oder entsteht durch degenerative Veränderungen und verursacht in den allermeisten Fällen keine Symptome. Die Wirbelsäule ist von einem massiven Bandapparat umgeben und zusammen mit den Muskeln ergibt dieser eine enorm starke Schutzvorrichtung für die einzelnen Wirbelkörper. Eine Wirbelluxation ist ohne schwere Verletzung so gut wie unmöglich. Und in so einem Fall bedarf es einer chirurgischen und keiner chiropraktischen Behandlung.

To be continued…

Doch warum erfreuen sich chiropraktische Behandlungsmethoden nach wie vor (v. a. auf Social Media) großer Beliebtheit und wie ist es möglich, dass man sich nach so einer Behandlung besser fühlt? Das und viel mehr schauen wir uns in Teil 2 an…

Quellen:

  • Crelin E.S., A scientific test of the chiropractic theory. American Scientist. 1973; 61: 574-580
  • Ernst, E. (2008). Chiropractic: A critical evaluation. Journal of Pain and Symptom Management, 35(5), 544-562. https://doi.org/10.1016/j.jpainsymman.2007.07.004
  • Homola, S. (2010). Real orthopaedic subluxations versus imaginary chiropractic subluxations: Perspective. Focus on Alternative and Complementary Therapies, 15(4), 284-287. https://doi.org/10.1111/j.2042-7166.2010.01053.x
  • Keating, J. C., Jr, Charlton, K. H., Grod, J. P., Perle, S. M., Sikorski, D., & Winterstein, J. F. (2005). Subluxation: dogma or science? Chiropractic & Osteopathy, 13(4), 17. https://doi.org/10.1186/1746-1340-13-17
  • Marcon, A. R., Murdoch, B., & Caulfield, T. (2019). The “subluxation” issue: an analysis of chiropractic clinic websites. Archives of Physiotherapy, 9(1). https://doi.org/10.1186/S40945-019-0064-5
  • Mirtz, T. A., Morgan, L., Wyatt, L. H., & Greene, L. (2009). An epidemiological examination of the subluxation construct using Hill’s criteria of causation. Chiropractic & Osteopathy, 17(1). https://doi.org/10.1186/1746-1340-17-13
  • A Close Look at Chiropractic wrongdoing (Quackwatch, 2022)
  • Undercover Investigations of Chiropractors (Quackwatch, 2004)

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