Mit dieser Frage beschäftigte sich das Team um Lin et al. im Jahr 2020. Sie analysierten qualitativ hochwertige Leitlinien, um herauszufinden, welche Therapien für Patient*innen mit nicht-traumatischen, muskuloskelettalen Schmerzen empfohlen werden. Zu diesen Schmerzen zählen unter anderem Nacken- oder Rückenschmerzen, schmerzhafte Kniearthrose und Schulterbeschwerden, die nicht durch einen Unfall verursacht wurden.

Dieses Thema ist wichtig, um Patient*innen die bestmögliche Therapie zu bieten und die Chancen auf eine Besserung zu optimieren. Gerade im Bereich der muskuloskelettalen Schmerzen gibt es Problematiken, die für die Gesundheit und das Gesundheitssystem mehr Kosten als Nutzen verursachen könnten. Dazu gehört beispielsweise, dass zu viele bildgebende Verfahren (z.B. Röntgen, MRT) verfrüht durchgeführt werden, obwohl sie im Behandlungsmanagement keinen Einfluss haben und langfristig den Behandlungsaufwand erhöhen können (Lemmers et al., 2019). Auch werden Operationen, etwa bei Kniearthrose oder Rotatorenmanschetten-Beschwerden, oft verfrüht eingesetzt, obwohl eine konservative Therapie eine Operation in vielen Fällen verhindern könnte (Adelani et al., 2016; Beard et al., 2016).

Die Empfehlungen von Lin et al., 2020 sollen sowohl dem Gesundheitspersonal helfen, ihre Arbeit zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen, als auch Patient*innen unterstützen, informierte Entscheidungen für ihre Therapie zu treffen:

1. Patient*innen fokussierte Therapie

Jede Situation ist individuell zu bewerten. Basierend auf dem Kontext und angepasst an die Bedürfnisse wird gemeinsam ein Therapieplan erstellt.

2. Screening von schwerwiegenden Pathologien

In seltenen Fällen kann sich hinter Schmerzen eine schwerwiegende Erkrankung (z.B. Tumor, Fraktur, Infektion) verbergen. Hinweise auf solche Erkrankungen sollten aktiv gesucht werden und bei Verdacht eine ärztliche Abklärung erfolgen.

3. Erhebung von psychosozialen Faktoren

Die langfristige Schmerzentwicklung steht im Zusammenhang mit der psychosozialen Situation. Motivation, starker Rückhalt im persönlichen Umfeld oder eine aktive Bewältigungsstrategie können die Therapieergebnisse positiv beeinflussen. Dagegen können Depressionen, Bewegungsangst oder fehlende Unterstützung am Arbeitsplatz negative Auswirkungen haben und die Therapie verlängern. Diese Bereiche sollten aktiv evaluiert und in die Therapie einbezogen werden. Unterstützen können dabei Fragebögen wie das STarT Back Tool oder das Örebro MSK Screening Tool.

4. Gezielter Einsatz von bildgebenden Verfahren

Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT sollten nur durchgeführt werden, wenn:

  • eine schwerwiegende Pathologie vermutet wird,
  • sich kein Therapieerfolg in der konservativen Behandlung einstellt,
  • daraus Auswirkungen auf den Behandlungsplan entstehen.

5. Durchführung einer körperlichen Untersuchung

Eine körperliche Untersuchung sollte immer durchgeführt werden, da anhand der Testung von Beweglichkeit, Kraft, Gleichgewicht und einer neurologischen Untersuchung die Problematik eingestuft wird und darauf aufbauend weitere Therapieentscheidungen getroffen werden.

6. Evaluierung von Veränderungen

Für das Patient*innenmanagement ist es essentiell, Veränderungen zu bemerken. Wichtig ist, dass es sich um validierte Messungen handelt. Dazu können insbesondere patient*innenorientierte Fragebögen zum Schmerz, Alltag oder zur Lebensqualität genutzt werden.

7. Edukation

Patient*innen sollten offen über ihre aktuelle Situation aufgeklärt und mögliche Behandlungsoptionen diskutiert werden.

8. Fokus auf körperliche Aktivität

Im Mittelpunkt der Therapie sollte Bewegung stehen. Ob allgemeine Aktivitäten (Spazieren, Putzen), angepasste Therapie (Ausdauer, Kraft, Mobilität) oder allgemeines Training (Laufen, Schwimmen) durchgeführt werden, ist individuell zu entscheiden. Wichtig für ein langfristig positives Ergebnis ist es, in Bewegung zu bleiben!

9. Manuelle Therapie als Zusatz

Die Anwendung von Massage, Manipulationen, Triggerpunktbehandlungen etc. kann zusätzlich zur weiteren Therapie stattfinden. Bei einer multimodalen Behandlung sollten Aktivität, psychosoziale Faktoren und Edukation zusammen mit manueller Therapie zum Einsatz kommen.

10. Konservativ vor OP

Erst wenn eine klare OP-Indikation vorliegt oder eine konservative Therapie erfolglos bleibt, sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden.

Rasche Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess

Eine möglichst rasche Wiederaufnahme der Arbeit sollte erfolgen. Dazu gehören auch Arbeitsplatzanpassungen, Wiedereinstiegsprogramme und eine gute Kommunikation zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in.

Fazit

Die moderne Physiotherapie für muskuloskelettalen Schmerz stellt die individuellen Bedürfnisse und den Kontext jeder Patient*in in den Mittelpunkt. Durch einen gezielten Einsatz von bildgebenden Verfahren, die Berücksichtigung psychosozialer Faktoren und die Betonung körperlicher Aktivität kann eine effektive und umfassende Behandlung gewährleistet werden. Es ist entscheidend, dass die Patient*in aktiv in den Therapieprozess eingebunden wird und informierte Entscheidungen treffen kann.

Wenn ihr Unterstützung mit eurer aktuellen Schmerzproblematik sucht, stehen wir gerne zur Verfügung.

Let’s go, euer Simon!

Quellen:

  • Adelani, M. A., Harris, A. H., Bowe, T. R., & Giori, N. J. (2016). Arthroscopy for Knee Osteoarthritis Has Not Decreased After a Clinical Trial. Clinical orthopaedics and related research, 474(2), 489–494. https://doi.org/10.1007/s11999-015-4514-4
  • Beard, D. J., Rees, J. L., Cook, J. A., Rombach, I., Cooper, C., Merritt, N., Shirkey, B. A., Donovan, J. L., Gwilym, S., Savulescu, J., Moser, J., Gray, A., Jepson, M., Tracey, I., Judge, A., Wartolowska, K., Carr, A. J., & CSAW Study Group (2018). Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW): a multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomised surgical trial. Lancet (London, England), 391(10118), 329–338. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32457-1
  • Lin, I., Wiles, L., Waller, R., Goucke, R., Nagree, Y., Gibberd, M., Straker, L., Maher, C. G., & O’Sullivan, P. P. B. (2020). What does best practice care for musculoskeletal pain look like? Eleven consistent recommendations from high-quality clinical practice guidelines: systematic review. British journal of sports medicine, 54(2), 79–86. https://doi.org/10.1136/bjsports-2018-099878
  • Lemmers, G. P. G., van Lankveld, W., Westert, G. P., van der Wees, P. J., & Staal, J. B. (2019). Imaging versus no imaging for low back pain: a systematic review, measuring costs, healthcare utilization and absence from work. European spine journal : official publication of the European Spine Society, the European Spinal Deformity Society, and the European Section of the Cervical Spine Research Society, 28(5), 937–950. https://doi.org/10.1007/s00586-019-05918-1

 

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