Das Risiko einer erneuten Verletzung nach einem Kreuzbandriss beträgt etwa 15%, wobei es bei jungen Athlet*Innen sogar bis zu 23% steigen kann (Wiggins et al., 2016). Dies verdeutlicht die kritische Bedeutung eines sorgfältigen und ganzheitlichen Ansatzes beim Wiedereinstieg in den Sport, um langfristige Folgeschäden am Knie zu vermeiden. Bei der Rehabilitation nach einer Verletzung sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen, da die individuellen Unterschiede jedes Patienten sowie die spezifischen Merkmale der Verletzung eine maßgeschneiderte Behandlung erfordern (Draovitch et al., 2022; Yung et al., 2022).

Neben der Rate von erneuten Verletzungen ist auch das Langzeitresultat von entscheidender Bedeutung. Langfristig kann eine Kreuzbandverletzung mit einem erhöhten Risiko für Arthrose, einer Beeinträchtigung der Kniefunktion und einer verminderten Lebensqualität einhergehen (Oiestad et al., 2011; Risberg et al., 2016). Daher wird ein ganzheitlicher, funktionsorientierter Ansatz empfohlen, der nicht nur darauf abzielt, die Beweglichkeit und Kraft des Knies wiederherzustellen, sondern auch die funktionelle Leistungsfähigkeit und Stabilität zu verbessern (Meredith et al., 2020). Dazu gehören neben gezielten Übungen und physiotherapeutischen Maßnahmen auch eine individuelle Betreuung und eine angemessene psychologische Unterstützung, um das Vertrauen in das verletzte Knie und seine Fähigkeiten wiederherzustellen.

Zu Beginn steht die Entscheidung zwischen einer operativen oder konservativen Behandlung einer Kreuzbandruptur im Fokus. Dabei ist von Bedeutung, dass beide Optionen langfristig erfolgreich sein können (Grindem et al., 2014). Ein gemeinsamer Entscheidungsprozess zwischen Patient*in und Arzt*Ärztin, der die individuellen Ziele, Erwartungen sowie die strukturellen und funktionellen Gegebenheiten berücksichtigt, ist entscheidend, um die beste Behandlungsoption zu wählen (Diermeier et al., 2020). Unabhängig von der gewählten Vorgehensweise – ob operativ oder konservativ – legt ein intensiver Rehabilitationsprozess den Grundstein für langfristige Stabilität und Belastbarkeit des Knies (Diermeier et al., 2020; Meredith et al., 2020).

Zur Orientierung haben Experten aus der Chirurgie, Sportmedizin, Physiotherapie und Forschung um Meredith et al. (2020) Eckpfeiler des Return to Sport Prozesses nach einer Kreuzbandruptur festgelegt:

  • Das Ziel des Return-to-Sport-Prozesses ist es, nach einer Verletzung auf dasselbe Leistungsniveau wie vorher zurückzukehren, was Aspekte wie Wettkampfintensität und Trainingsfrequenz umfasst.
  • Vor einer Rückkehr zum Training oder Wettkampf ist eine sportmedizinische Freigabe unerlässlich. Hierbei sind insbesondere Tests zur Bewertung der Kniefunktion und des mentalen Zustands von großer Bedeutung. Neben der sportmedizinischen Untersuchung sollte auch die Meinung aller beteiligten Personen, einschließlich Trainer*in und Spieler*in, berücksichtigt werden.
  • Während der Rehabilitation sollte ein klar strukturierter und progressiver Plan verfolgt werden. Dabei stehen die Erreichung wichtiger Meilensteine im Fokus, darunter die „Rückkehr zum sportartspezifischen Training“, die „Rückkehr zum Sport“ und schließlich die „Rückkehr zur Bestleistung“. Die physische und psychische Belastbarkeit, unter Berücksichtigung der Gewebeheilung, sind dabei von zentraler Bedeutung für die Erreichung dieser Meilensteine. Im Verlauf der Heilung müssen neben dem Kreuzband auch alle anderen betroffenen Strukturen wie Meniskus und Innenband berücksichtigt werden.
  • Die Rückkehr zum Sport sollte durch standardisierte und validierte Tests begleitet werden, um die Funktion des Beins und die psychologische Belastbarkeit zu überprüfen. Bei der Funktionstestung werden verschiedene Parameter wie Bewegungsqualität, Kraftwerte der Muskulatur rund um das Knie, Beweglichkeit, Balance sowie neuromuskuläre Kontrolle der unteren Extremität und des gesamten Körpers bewertet. Zusätzlich kann die psychologische Belastbarkeit mithilfe eines validierten Fragebogens erfasst werden.
  • Zusätzlich sollten bei der Rückkehr zum Sport auch Kontextfaktoren berücksichtigt werden. Dazu zählen unter anderem die spezifische Sportart (z.B. Fußball, Kugelstoßen, Langstreckenlauf), der Zeitpunkt der aktuellen Wettkampfsaison, die individuelle Position im Spiel (z.B. Tor, Sturm) sowie das Leistungsniveau.

Diermeier, T., Rothrauff, B. B., Engebretsen, L., Lynch, A. D., Ayeni, O. R., Paterno, M. V., Xerogeanes, J. W., Fu, F. H., Karlsson, J., Musahl, V., Svantesson, E., Hamrin Senorski, E., Rauer, T., & Meredith, S. J. (2020). Treatment after anterior cruciate ligament injury: Panther Symposium ACL Treatment Consensus Group. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc, 28(8), 2390-2402. https://doi.org/10.1007/s00167-020-06012-6

Draovitch, P., Patel, S., Marrone, W., Grundstein, M. J., Grant, R., Virgile, A., Myslinski, T., Bedi, A., Bradley, J. P., Williams, R. J., 3rd, Kelly, B., & Jones, K. (2022). The Return-to-Sport Clearance Continuum Is a Novel Approach Toward Return to Sport and Performance for the Professional Athlete. Arthrosc Sports Med Rehabil, 4(1), e93-e101. https://doi.org/10.1016/j.asmr.2021.10.026

Grindem, H., Eitzen, I., Engebretsen, L., Snyder-Mackler, L., & Risberg, M. A. (2014). Nonsurgical or Surgical Treatment of ACL Injuries: Knee Function, Sports Participation, and Knee Reinjury: The Delaware-Oslo ACL Cohort Study. J Bone Joint Surg Am, 96(15), 1233-1241. https://doi.org/10.2106/jbjs.M.01054

Meredith, S. J., Rauer, T., Chmielewski, T. L., Fink, C., Diermeier, T., Rothrauff, B. B., Svantesson, E., Hamrin Senorski, E., Hewett, T. E., Sherman, S. L., & Lesniak, B. P. (2020). Return to sport after anterior cruciate ligament injury: Panther Symposium ACL Injury Return to Sport Consensus Group. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc, 28(8), 2403-2414. https://doi.org/10.1007/s00167-020-06009-1

Oiestad, B. E., Holm, I., Engebretsen, L., & Risberg, M. A. (2011). The association between radiographic knee osteoarthritis and knee symptoms, function and quality of life 10-15 years after anterior cruciate ligament reconstruction. Br J Sports Med, 45(7), 583-588. https://doi.org/10.1136/bjsm.2010.073130

Risberg, M. A., Oiestad, B. E., Gunderson, R., Aune, A. K., Engebretsen, L., Culvenor, A., & Holm, I. (2016). Changes in Knee Osteoarthritis, Symptoms, and Function After Anterior Cruciate Ligament Reconstruction: A 20-Year Prospective Follow-up Study. Am J Sports Med, 44(5), 1215-1224. https://doi.org/10.1177/0363546515626539

Wiggins, A. J., Grandhi, R. K., Schneider, D. K., Stanfield, D., Webster, K. E., & Myer, G. D. (2016). Risk of Secondary Injury in Younger Athletes After Anterior Cruciate Ligament Reconstruction: A Systematic Review and Meta-analysis. Am J Sports Med, 44(7), 1861-1876. https://doi.org/10.1177/0363546515621554

Yung, K. K., Ardern, C. L., Serpiello, F. R., & Robertson, S. (2022). A Framework for Clinicians to Improve the Decision-Making Process in Return to Sport. Sports Medicine – Open, 8(1), 52. https://doi.org/10.1186/s40798-022-00440-z

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