Einleitung

Schmerz ist eine komplexe, unangenehme sensorische und emotionale Erfahrung, die mit einer tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschädigung verbunden ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. Es handelt sich um ein 3-dimensionales Geschehen (sensorisch, kognitiv, affektiv), dem unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen können. Für den klinischen Alltag ist es von zentraler Bedeutung über diese Mechanismen und deren Biologie aufgeklärt zu sein, um Patient*innen dementsprechend adäquat behandeln zu können.

Aspekte

Schmerz besteht grundsätzlich aus 2 Aspekten: Stimulus und Wahrnehmung. Stimuli können objektiv gemessen werden, wohingegen die Wahrnehmung subjektiv beim Individuum liegt. Die individuelle Erfahrung muss dementsprechend respektiert werden. Individuen lernen das Schmerzkonzept durch ihre Lebenserfahrungen. Bestimmte Glaubenssätze können sich positiv, aber auch negativ auf die Schmerzwahrnehmung auswirken.

Nozizep… Was?

In diesem ersten Teil schauen wir uns den häufigsten Schmerzmechanismus genauer an, die Nozizeption. Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen des Rückenmarks und kommen in allen schmerzempfindlichen Geweben des Körpers vor. Nozizeptiver Schmerz entsteht primär durch eine Verletzung von nicht neuralem Gewebe (muskuloskelettal, viszeral). Zum Beispiel bei einem akuten Bänderriss ist das nozizeptive System aufgrund der Verletzung stark aktiv und dementsprechend bestehen akute Schmerzen.

Informationen

Dabei werden sensorische Informationen in Form von chemischen (körpereigene Prozesse), thermischen (Temperatur) oder mechanischen Reizen (z.B. Druck, Zug) vom Nervensystem aufgenommen und weitergeleitet. Es gibt keine alleinigen Schmerzrezeptoren. Unterschiedliche Nervenfasern haben unterschiedliche Reizschwellen, manche reagieren auf feinste Reize, andere auf intensive. Zudem gibt es verschiedene Fasereigenschaften, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit Reize weiterleiten.

Reizweiterleitung

Bei der Nozizeption werden Reize in ein Aktionspotenzial (AP) umgewandelt. Wenn ein AP an der Endigung des nozizeptiven Neurons im Hinterhorn des Rückenmarks ankommt, aktivieren sich Kalzium-Ionenkanäle. Das wiederum sorgt dafür, dass Neurotransmitter und weitere Moleküle an der postsynaptischen Membran ein weiteres AP verursachen. Das AP wird über das Rückenmark an den Thalamus (zentrales Steuerungsorgan) weitergeleitet, wo die Information umgewandelt und an die Großhirnrinde vermittelt wird.

Disclaimer: Dieser Prozess ist hier stark vereinfacht.

Wahrnehmung

Im Gehirn erfolgt dann eine umfassende Interpretation dieser angekommenen Informationen und die Entscheidung über die Reaktion. Zusätzlich spielen noch viele weitere Zellen eine Rolle in der Reizweiterleitung von der Peripherie bis zum Thalamus. Das macht den Prozess und die resultierende Schmerzwahrnehmung so komplex. Es ist wichtig zu verstehen, dass sämtliche zentral im Gehirn verarbeiteten Informationen einen Beitrag leisten, um eine Schmerzwahrnehmung entstehen zu lassen.

Take-Home-Message

Das nozizeptive System besteht aus:

  • Peripherer Nozizeptor
  • Hinterhorn
  • Hirnstamm
  • Sensorischer Kortex

Nozizeption ist eine neuronale Antwort auf intensive Reize und stellt eine wichtige Schutzfunktion unseres Körpers dar. Diese Reize können durch eine akute Gewebsschädigung entstehen, allerdings ist für die Aktivierung des nozizeptiven Systems nicht zwingend eine Gewebsschädigung erforderlich. Schmerz ist eine persönliche Erfahrung und wird von biologischen, psychologischen sowie sozialen Faktoren beeinflusst.

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